Das Einsatzkommando schlich in Reihenformation auf die Halle zu. Vorne der Mann mit dem Schutzschild, dahinter der mit der Ramme. Die Hoffnung war, unbemerkt an die Halle heranzukommen. Und hinein.

 

An der Seitentür angekommen, ging der zweite Mann in Position und rammte die Tür auf. Sofort flogen zwei Blendgranaten ins Innere und detonierten. Dann begann der Stoßtrupp, in die Halle einzudringen.

 

Doch der Einsatz war drinnen nicht unbemerkt geblieben. Kaum hatten die ersten Polizisten die Halle betreten, brach die Hölle los. Der Knall der Blendgranaten war ohrenbetäubend gewesen. Doch er lähmte die Verteidiger in der Halle nur bedingt, da die auf das Eindringen vorbereitet waren. Die Gang eröffnete das Feuer ohne Verzögerung.

 

Drinnen, hinter der Seitentür gab es keine Deckung. Der Mann mit dem Schild und seine Kollegen liefen in offene Garben aus Maschinenpistolen. Nachdem vier von ihnen zu Boden gegangen waren, brach die Einsatzleitung den Versuch ab. Der Ruf „Abbruch, Abbruch“ zerriss allen Zugeschalteten förmlich die Ohren.

 

Jetzt wurde die Kavallerie aufgefahren. Aus einer Seitenstraße rückte ein gepanzerter Sonderwagen an. Eine lange Belagerung der Eingeschlossenen war von den Verantwortlichen vor Ort nicht vorgesehen. Kurz vor dem Hallentor senkte der Fahrer das Räumschild ab und gab Vollgas. Das Tor knickte ein wie dünner Pappkarton.

 

Die Eingeschlossenen verfügten über keine panzerbrechenden Waffen. Sie ballerten wie besessen aus ihren Maschinenpistolen. Komplett sinnlos, alle Kugeln prallten am Fahrzeug ab.

 

In dessen Inneren begann man jetzt damit, Gegenmaßnahmen einzuleiten. Die Schrittmotoren des fernsteuerbaren Maschinengewehrs auf dem Dach manövrierten es in Schussposition. Was im Lärm komplett unterging. Dann begann es zu rattern. So, dass es nicht zu überhören war. Pulverisierte die Kotflügel, Kisten und sonstigen Einrichtungsgegenstände, hinter denen die Mitglieder der Gang sich in Deckung gebracht hatten. Im Einsatzwagen bekamen Staatsanwalt Manusco und der Fahrer alles über den Sprechfunk live mit. Ihnen schwante nichts Gutes.

 

Wenige Minuten später trafen zusätzliche Krankenwagen ein. Auch sie standen erst mal untätig in einer Seitenstraße, denn der Schusswechsel hielt weiter unvermindert an.

 

Schließlich feuerte nur noch das Maschinengewehr. Um dann auch zu verstummen. In der angenehmen Stille nach dem Inferno wagten es schließlich die Einsatzkräfte, die draußen noch gewartet hatten, die Halle zu betreten. Sie gaben zeitnah das Okay, die Kollegen, die es erwischt hatte, zu bergen. Die Krankenwagen fuhren vor und die Rettungskräfte machten sich daran, die Reste des Massakers zu verarzten.

 

Gualtiero Manusco hatte den Lkw, von dem sie die Observierung aus vorgenommen hatten, verlassen und ging zu einem der Einsatzfahrzeuge. Dort bekam er das Okay, die Halle zu betreten.

 

In ihr herrschte rege Betriebsamkeit. Die Einsatzkräfte hockten auf Kisten und anderen besitzbaren Gegenständen und versuchten, emotional und mental wieder herunterzukommen. Carabinieri mit Hunden begannen damit, nach Drogen zu suchen. Der junge Staatsanwalt taperte ihnen hinterher. Doch wo immer die Hunde auch schnüffelten, sie wurden nicht fündig. Rannten nervös umher, von ihren Hundeführern angestachelt. Was aber ebenfalls zu keinen Resultaten führte.

 

In Manusco machte sich die Erkenntnis breit, dass die Razzia ein Fehlschlag war. Er ging zu dem Lkw, der die neue Lieferung angelandet hatte. Der Wagenlenker hing von Kugeln durchsiebt in der Fahrerkabine. Es war seine letzte Fahrt gewesen.

 

Der Ermittler schnappte sich einen der Beamten und bat ihn, ihm beim Öffnen des Laderaumes zur Hand zu gehen. Was sich als recht einfach herausstellte. Im Inneren aufeinander gestapelte Kisten. Schwieriger war es, einen Kuhfuß zu finden, um die aufzukriegen. Der Beamte machte sich daran, die oberste Kiste aufzuhebeln. Er stellte sich nicht besonders geschickt an, rutschte an dem zähen Holz immer wieder ab. Es gaben kleinere Bruchstücke nach, aber den Blick auf den Inhalt nicht frei. Der Beamte fluchte und entschuldigte sich beim Staatsanwalt. Der forderte ihn auf, dranzubleiben. Schließlich klappte der Deckel zur Seite.

 

Im Inneren stapelten sich einige Jahre Knast. Doch nicht in Form von weißem Pulver. Stattdessen waren es gut geölte Kalaschnikows. Also doch ein Erfolg, aber so gar nicht das, was der Fahnder vorzufinden erwartet hatte. Er konnte seine Überraschung kaum verbergen. Stieg von der Ladefläche und ging auf einen der Offiziere zu.

 

„Wie viele von den Gaunern haben überlebt?“

 

„Nur zwei, aber denen geht es nicht besonders.“

 

„Ist einer von ihnen ansprechbar?“

 

„Gehen Sie mal zu dem Krankenwagen dort drüben.“

 

Der machte sich schon daran loszufahren. Manusco rannte los und schaffte es noch, sich ihm in den Weg zu stellen. Die Frau hinter dem Steuer stieg kräftig in die Eisen.

 

„Staatsanwalt Manusco!“, rief der, seinen Dienstausweis hochhaltend. „Ich will mit dem Festgenommenen sprechen!“

 

Die Frau setzte zum Widerspruch an. Manusco gelang es, ihr mit Hinweis auf die Folgen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er rannt nach hinten und riss die Heckklappen auf.

 

Der behandelnde Sanitäter schaute ihn reichlich verdutzt an. Dann begann auch er, auf ihn einzureden. Wieder bügelte der Ermittler die Einwände nieder. Drängte sich zu dem Angeschossen durch.

 

„Du kannst dir ein paar Jahre ersparen. Wo ist das Koks?“

 

Den Kerl auf der Bahre hatte es ordentlich erwischt. Die Wirkung der Schmerzmittel hatte aber schon eingesetzt, er war in Anbetracht seines Zustandes einigermaßen ansprechbar.

 

„Welches Koks?“

 

„Auf dich warten mindestens zehn Jahre Knast. Also verarschʼ mich nicht!“

 

Der Mann auf der Bahre blickte ihn aus glasigen Augen an. Er hatte sichtlich Angst.

 

„Ich verarsche Sie nicht. Wir machen nicht mehr auf Drogen. Unser Geschäft sind seit Neustem nur noch Knarren. Ehrenwort!“

 

Der Mann befand sich in einem so beklagenswerten Zustand, dass der Gesetzesvertreter geneigt war, ihm zu glauben. Doch die Jahre, die er mit lügenden Spitzbuben verbracht hatte, ließen ihn dieses Gefühl schnell wieder beiseitelegen.

 

„Freundchen, Koks, Crack und Heroin sind euer Geschäft. Wenn du mir nicht was Brauchbares gibst, dann mache ich dich fertig. So fertig, dass du nie wieder von der Bahre runterkommst.“

 

Der Mann hatte seine missliche Lage bis dahin ganz gut weggesteckt. Jetzt fing er ernsthaft an zu weinen. Heulte rum wie ein Kleinkind. Er sage doch die Wahrheit, er wolle doch kooperieren. Aber selbst mit reinstem Kokain sei heute kein Geschäft mehr zu machen. Überall werde es vertickt. Manchmal das Gramm sogar für weniger als ein paar Euro. Ebenso er verstehe die Welt nicht mehr.